Sonntag, 10. Januar 2016

Hilary Mantel – eine starke Frau


In den Weihnachtsferien las ich ein Buch, das meine beste Freundin mir geschenkt hatte: „Giving up the Ghost“ (im Deutschen: „Von Geist und Geistern“). Es ist die Autobiographie der englischen Schriftstellerin Hilary Mantel. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich von dieser Frau nie etwas gehört, geschweige denn gelesen. Meine Freundin überreichte mir das Buch mit den Worten: „Sie ist die einzige Frau, die es bisher schaffte, mit ihren Büchern zwei Mal den renommierten Man Booker Prize in Großbritannien zu gewinnen. Und sie hat Endometriose.“

Ich verschlang die Biographie, muss allerdings sagen, dass sie gewisse Längen hat, wenn man das Buch vor allem auf die Endometriose hin liest. Diese wird so richtig erst im letzten Drittel thematisiert. Und hier habe ich wichtige Informationen von Hilary Mantel erhalten, die Licht ins Dunkel einige meiner Symptome gebracht haben. Aber dazu später.

Ein nicht unbekannter Leidensweg


Bei Hilary Mantel begann alles mit unerklärlichen Schmerzen in den Beinen. Mit Anfang 20 nahm sie die Pille und neue Schmerzen im Bauch kamen hinzu. Die Schmerzen waren so heftig, dass sie eines Tages 6 Aspirin einnahm und erbrach. Die Ärzte sagten immer wieder, es sei psychosomatisch. Wegen ihrer starken Erschöpfung wurde sie immer wieder auf Blutarmut untersucht, man fand aber nie etwas.

Ein Psychiater sagte ihr schließlich, Erschöpfung und Schmerzen kämen wohl von einer Depression. Diese kämen wahrscheinlich davon, dass sie zu „überambitioniert“ sei. Damals studierte Mantel noch Jura. Der Psychiater gab ihr den Tipp, das Jura-Studium abzubrechen und lieber wie ihre Mutter als Verkäuferin im Bekleidungsgeschäft zu arbeiten. (Ich erspare mir hier jeglichen Kommentar ...)

Für verrückt erklärt


Je mehr Hilary Mantel betonte, dass körperlich etwas nicht stimme, desto mehr sagten die Ärzte, dass psychisch etwas bei ihr nicht richtig sei. Sie bekam Antidepressiva verschrieben. Eine Zeit lang wurde sie in der Psychiatrie behandelt. Dort verabreichte man ihr Valium. Manchmal hat es den gegenteiligen Effekt und putscht einen auf, anstatt zu beruhigen. Dies war bei Mantel geschehen und sie hatte unter den Medikamenten das Gefühl, verrückt zu werden. Man gab ihr immer stärkere Psychopharmaka, bis sie es nicht mehr aushielt und die Therapie abbrach.

Nach der Zeit in der Psychiatrie ging sie mit ihrem Mann, der Geologe war, nach Afrika. Sie hatte die Nase gestrichen voll und begann, auf eigene Faust zu recherchieren. Schließlich diagnostizierte sie sich selbst. Mit der Diagnose Endometriose ging sie zurück nach England und knallte sie den Ärzten vor den Latz.

Mehr Gynäkologen als Liebhaber

Mit 27 Jahren wurden Hilary Mantel Gebärmutter und Eierstöcke entfernt. Sie wollte nie Kinder. Doch plötzlich auch die Wahl genommen bekommen zu haben, war schwer für sie zu ertragen. „Mein Körper gehörte nicht mehr mir. Es war ein Ding, mit dem etwas gemacht wurde, an dem operiert wurde. Ich war 27 und gleichzeitig eine alte Frau.“ – Ich denke, diese Sätze würden wir alle so unterschreiben ...

Hilary Mantel beschreibt treffend: Mit Endometriose fühle man sich ständig physisch und psychisch unter Beschuss. In einem Interview sagte sie mal schmunzelnd, sie hätte in ihrem Leben mehr Gynäkologen als Liebhaber gehabt.

Da fehlen mir die Worte!


Hilary Mantel schreibt in ihrem Buch über ein Phänomen, das ich bei mir seit Jahren beobachte, aber nie einen Namen dafür hatte: Durch die Hormonstörungen leiden Endometriose-Patientinnen oft an sehr starkem PMS. In dieser Zeit hätte sie extreme Sehstörungen, Lähmungserscheinungen, Wortfindungsstörungen, ein Schwindelgefühl manchmal sogar eine Art Halluzinationen entwickelt.

Nun, diese Wortfindungsstörungen und Schwindelgefühl in den Tagen vor der Periode, das kenne ich nur zu gut. Wirklich, mit mir während des PMS zu telefonieren, ist kein Vergnügen. Es ist so, als sei Deutsch für mich plötzlich eine Fremdsprache und ich muss angestrengt nach den richtigen Vokabeln suchen. Dank Hilary Mantel weiß ich jetzt, was es ist: Migräne. Und zwar Migräne ohne Kopfschmerzen, nur mit Aura. Ja, das gibt es tatsächlich. Daher auch die Aussetzer, denn Migräne ist nichts anderes als Durchblutungsstörungen im Hirn.
(Ein Artikel zu diesem Thema gibt es hier: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=37188).

Gute Aussichten?

Mittlerweile ist Hillary Mantel über 60 und hat die Endometriose als solches überwunden. Sie ist Schirmherrin der National Endometriosis Society (https://www.endometriosis-uk.org) und schreibt weiterhin Bücher, hauptsächlich historische Romane. In einer Talk Show sagte sie vor kurzem, sie würde sich heutzutage besser fühlen als je zuvor. Das macht mir Mut! Scheiß auf Falten, Übergewicht und schlaffes Gewebe! Ich glaube, das Alter, die Zeit nach der Endometriose (wenn sie denn dann hoffentlich aufhört!), hat für uns noch viel zu bieten, was „gesunde“ Frauen vielleicht nicht so wertschätzen können. Ich weiß es nicht, aber es ist so eine Hoffnung ...


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Kommentare:

  1. Anonym17. Februar 2016 um 11:17

    Hallihallo,

    ich bin gerade auf deinen Blog gestoßen und begeistert!
    Danke für die vielen interessanten Beiträge!

    Den Beitrag über Hillary Mantle finde ich toll - eine interessante Frau mit einer interessanten Geschichte... Es ist ein Wahnsinn, was man sich als Frau mit Endometriose gefallen lassen muss. Und das war sicher früher noch viel schlimmer als heute. Ich musste mir "nur" von meiner früheren Gynäkologin die platte Aussage gefallen lassen "Glauben Sie nicht, dass es nur weh tut, weil Sie wissen, dass da etwas ist?" - ohne Worte.

    Interessant fand ich in deinem Beitrag aber auch die Sache mit der Migräne. Ich habe auch von Zeit zu Zeit Auren, oft auch ohne Kopfschmerzen. Aber - und jetzt kommts - ich habe das erst seit ich Hormone nach meiner OP schlucken musste! Vorher hatte ich das nie.
    Ebenso bin ich der Überzeugung, dass bei mir künstliche Hormone maßgeblich zum Wachstum von Endo in meinem Bauch beigetragen hat: Die ersten heftigen, reißenden Endo-Schmerzen hatte ich mit dem Evra-Pflaster!

    Wie dem auch sei. Vielen Dank für deinen wunderbaren Blog!! Mach weiter so.
    Alles Liebe,
    Zaahra

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    1. Martina Liel19. Februar 2016 um 16:24

      Liebe Zaahra, vielen Dank für Deinen Kommentar! Es freut mich sehr, dass Dir der Blog gefällt:-) Es ist wirklich unglaublich: Bei mir hat die Endometriose auch erst unter der Einnahme von der Diane angefangen, und Sehstörungen hatte ich nur unter der Cerazette!!! Mein persönlicher Eindruck ist auch, dass die synthetischen Hormone mehr Schaden anrichten als helfen. Mit der Aussage muss man aber ganz vorsichtig sein. Es gibt Frauen, denen es unter der Einnahme mit den Schmerzen besser geht, und die kritisieren dann wieder, dass man die Hormone kritisiert...Am Ende muss es jede für sich selbst entscheiden. Wir sind ja alle erwachsen;-) Ja, und von Ärzten erwarte ich in Sachen Endometriose auch nichts mehr, weder Verständnis noch Hilfe. Ich bin froh und dankbar, dass Chirurgen mir drei Mal das Leben gerettet haben. Zum Frauenarzt gehe ich nur noch zur Krebsvorsorge... Ganz liebe Grüße! Martina

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